Im Schleswig-Holsteinischen Landestheater kracht es gewaltig. In der nächsten Spielzeit wird die neue Intendantin Ute Lemm die Führung übernehmen. Sie hat als Schauspieldirektor Rolf Petersen vorgesehen, der bisher die Niederdeutschen Bühnen in Schwerin und Flensburg geleitet hat. Nun hat sich das Ensemble des Landestheaters in einer E-Mail gegen den neuen Direktor gestellt und das in einem offenen Brief kundgetan. Die Berufung Petersens müsse „schlichtweg als Skandal bezeichnet“ werden, heißt es dort in aller Deutlichkeit.
Hier wird ein designierter Theatermann pauschal abgelehnt, obwohl er seine Stelle noch nicht angetreten hat. Noch interessanter ist die Berichterstattung in den traditionellen Medien. Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag lässt eine objektive Berichterstattung vermissen. Der Leiter der Kulturredaktion Martin Schulte schreibt theatralisch, das Stimmungsbild aus dem Ensemble sei irgendwo zwischen „Verzweiflung und Fassungslosigkeit“ zu verorten und spricht von einer „Erschütterung“ der Theaterlandschaft. Nun sein hochgekocht, was bei den Mitarbeitern „gegärt“ habe. Sogar der derzeitige Noch-Intendant Peter Griesebach darf seinen Senf dazugeben: „Das Ensemble war teilweise kaum arbeitsfähig“. Bei so viel Theaterdonner bleibt der Kulturredakteur seinem Zeitungspublikum allerdings die Antwort schuldig, was eigentlich genau gegen die Personalie Petersen spricht. Dafür verkündet der Kulturredakteur aber gleich sein vernichtendes Urteil. Schon jetzt sei eigentlich klar, so der Journalist, das „neue Leitungsteam am Landestheater“ habe „in dieser Besetzung keine Zukunft mehr.“
So geht Stimmungsmache in einem Provinzblatt. Wichtig scheint die Haltung zu sein. Die Zeitungsleser bleiben über die Hintergründe im Unklaren, die Gegenseite wird nicht gehört („Weder Rolf Petersen noch Ute Lemm waren gestern für eine Stellungnahme zu erreichen.“), aber dafür wird das Geschehen faktenfrei kommentiert und darüber räsoniert, wie der Intendant es seiner Nachfolgerin danken werde, wenn „der hübsche kleine Brand, den sie (U.L.) in seinem Haus gelegt hat, nicht bald gelöscht ist.“
Die Kieler Nachrichten berichten genauer. Offensichtlich geht es um inhaltliche Differenzen. Und es geht wohl auch um gekränkte Eitelkeit. Denn Petersen inszenierte bisher überwíegend mit Laiendarstellern an niederdeutschen Volkstheatern. Seine künstlerische Biografie reicht dem professionellen Ensemble des Landestheaters nicht, weil er an Amateur- und Privattheatern gearbeitet habe. Und dann kommt es wieder, dieses Wort Niederdeutsche Bühne. Da fehle der „spezifische Erfahrungshintergrund, ein Beheimatetsein in aktuellen theatralen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Diskursen“.
Was unausgesprochen wie ein Elefant im Raum steht: Die Gunst des Publikums war in der direkten Konkurrenz des Landestheaters mit der Niederdeutschen Bühne in Flensburg bei teilweise gleichen Stücken manchmal auf Seiten der niederdeutschen Laiendarsteller. Die Niederdeutschen spielten enger am Geschmack des Publikums, manches Mal derbes Volkstheater, aber auch klassische Stücke. Dass dabei nicht literweise Theaterblut vergossen wurde, versteht sich von selbst. Aber auch Komödien sind kein leichtes Sujet.
Es geht also gar nicht um eine Personalie, sondern um die Ausrichtung des Landestheaters in der Sparte Schauspiel. Die Theaterleute sprechen es in ihrem Brandbrief auch direkt an: Petersens Vorstellung von einem „ambitionierten Volkstheater“ reicht ihnen nicht. Natürlich wünschen sie sich auch ein volles Theater, allein ihnen fehlt neben der niederen Unterhaltung die Bedeutung des Ganzen. Ein unterhaltendes Volkstheater reicht den Unterzeichnern als Vision für ihre zukünftige Arbeit nicht aus. Sie befürchten, dass die Vielfalt auf der Strecke bleiben könnte.
Vielleicht bietet diese Diskussion, die besser intern geführt werden sollte, noch genügend Stoff, der über eine Provinzposse hinausweist. Möglicherweise ist das Theater nicht nur in einer finanziellen Krise, sondern auch in einer Formkrise. Und der Schweriner Theaterdirektor ist mitten drin.
Volkstheater Traditon