Das wäre Relotius nicht passiert

Narziss und Echo. Gemälde von John William Waterhouse. Bildquelle Mikimedia


Narziss und Echo. Gemälde von John William Waterhouse
Bildquelle: Wikimedia

Morgens muss es in den Redaktionsstuben schnell gehen. Auch beim Spiegel, der doch so viel auf seine Dokumentation hält. Alle Artikel würden genauestens geprüft. Das ist nicht leicht bei so hurtigem Arbeiten. Als am 15. Juli ein neues Buch über den amerikanischen Präsidenten vorgestellt wird, muss auch dazu etwas gesagt werden. Immerhin scheint die geneigte Leserin das tägliche Tramp-Bashing zu brauchen, damit der Tag beginnen kann. Der Spiegel möchte nämlich morgens schon erzählen, was an diesem Tag wichtig sei.

Die Lage am Morgen“ wird so zum betreuten Lesen.

Der Begriff „Narzissmus“ komme aus der griechischen Mythologie, doziert hier Susanne Beyer, Autorin im SPIEGEL-Hauptstadtbüro.

Ein Flussgott vergewaltigt und schwängert eine Wassernymphe, woraufhin Narcissus geboren wird, der keine Geborgenheit erlebt, sich deswegen sein Leben lang selbst nicht erkennen (also kennen) kann und so letztlich und eigentlich unsicher bleibt.“

Das Ganze erinnert fatal an Sätze des entsprechenden Wikipedia-Artikels zu Narziss, wobei Susanne Beyer die entscheidende Pointe weglässt: Narziss an einem See seinen Durst löschen will, verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild im ruhigen Wasser. Er ist also der Prototyp des Narzissten, der nur sich selbst lieben kann. Die Autorin übersetzt aus dem Amerikanischen Narcissus, scheint sich aber nicht darum zu kümmern, dass der Begriff eine latinisierte Form des Griechischen. Und die Geschichte seiner Herkunft stammt von Ovid, nebst der Idee, seine Mutter sei vergewaltigt worden.

Das Wesen des Narzissten wird so überhaupt nicht deutlich. Es scheint eine der Hauptbeschäftigungen der Spiegel-Leute zu sein, darüber zu berichten, was Donald Trump nun schon wieder Schlimmes gesagt oder getan hat. Dabei ist diese Persönlichkeit nur aus einem Blickwinkel interessant: als Narzisst. Trump hat erkennbar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Daraus ist sein Handeln erklärbar. Ein neues Buch einer Verwandten Trumps dazu ist nett, aber nicht wirklich etwas Neues.

Trump will bewundert werden und braucht die Unterwerfung seines Umfelds. Er beutet seine Mitmenschen, die mit ihm zu tun haben müssen, hemmungslos aus.

Der Narzisst will bekanntlich immer im Recht sein. Nur wer seine Einmaligkeit, seinen Größenwahn, seine Einmaligkeit und Genialität immer und immer wieder bewundert, erfährt von diesem Präsidenten vorübergehend Gnade. Ein kritisches Wort führt zur sofortigen Entlassung, womit wieder die Macht demonstriert wird. Dann ist der narzisstische Charakter vorübergehend befriedigt. Diese Unterwerfung oder der Hinauswurf empfindet dieser kranke Charakter als Triumph und Bestätigung seiner Macht.

Problematisch wird die Kränkung, die er als unverzeihliche Majestätsbeleidigung empfindet, wegen seiner Persönlichkeitsstruktur empfinden muss.. Er antwortet darauf mit starken Rachegefühlen.

Trump der Narziss

Trump als Narzisst ist im höchsten Maße manipulativ. Daher sind seine Äußerungen, die andere als Lügen empfinden müssen, erklärbar. Er befindet sich in einem ständigen Kampf um Macht. Nur die vollständige Unterwerfung oder die absolute Vernichtung des Gegenüber bringt ihm vorübergehende Befriedigung. Doch im Innern sieht es ganz anders aus. Hier ist es ein Mensch ohne Eigenschaften. Ein kleines Würstchen ohne Selbstbewusstsein. Ein Mann mit ausgeprägter Ich-Schwäche. Und hier ist auch die Verbindung zu Narziss in der Mythologie. Weil Narziss nur sein Spiegelbild im Wasser sieht, fehlt jegliche Selbsterkenntnis. Oft versucht er, tief ins Wasser gebeugt, sein eigenes Spiegelbild zu küssen und scheitert, weil er es zerstört. Verzweifelt ruft er sein Spiegelbild an: „Wo fliehest du hin?“ Nur Echo kann ihn kurzfristig zufriedenstellen, wenn sie nur das wiederholen kann, was er sagt. Narziss ruft unsicher: „“Vereinen wir uns!“ Und Echo antwortet: „Einen wir uns! (Ovid, Metamorphosen 3,370–406, Übersetzung bei Egon Gottwein )

In seiner absoluten Einsamkeit hat er scheinbar eine Gefährtin gefunden. Doch das ist ein trügerischer Moment für den Narzissten und für ihn keine Erlösung.

Melania und Donald Trump am King Khalid International Airport in Riadh, Saudi Arabien

Bildquelle: Wikipedia; Wikimedia

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